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I
Der "musikhistorische Verismo"
II Entstehung des "musikalischen Verismo"
III Das "Teatro Grattacielo" in New York

 

Pietro Mascagni
"Cavalleria rusticana / Sizilianische Bauernehre"




Schlußszene:
»Hanno ammazzato compare Turiddu...« 00:49 Min

 

 


I
Der "musikhistorische Verismo"

Literatur:
Mauser, Siegfried [Hg.]
Handbuch der musikalischen Gattungen
Bd. 13. Döhring, Sieghart / Henze-Döhring, Sabine:
Oper und Musikdrama im 19.Jahrhundert
Laaber: Laaber-Verlag 1997

 

Die Spuren von >verismo<, >naturalisme<, >réalisme< und >symbolisme< - um wesentliche literarische Richtungen, von denen sich Librettisten wie Komponisten inspirieren ließen, zu nennen - sind ohne Zweifel deutlich und erlauben es, eine Vielzahl der Werke zu gruppieren (1).

Die nicht übersehbaren Gemeinsamkeiten einer beträchtlichen Anzahl von Opern, die sich in Italien, Frankreich sowie - mit Abstand - auch in Deutschland und anderen Ländern in dieser Zeit herausbildeten, sind auf eine Aneignung von literarischen Texten, Schauspielen und theoretischen Debatten im Blick auf ein Opernschaffen unter dem Vorrang einer neuen Ästhetik des Musiktheaters ausgerichtet.

Die tiefe Krise, in der die italienische Oper seit den 1860er Jahren steckte, zeitigte das bemerkenswerte Phänomen einer vermehrten Wiederaufnahme des <Drame lyrique< Georges Bizets ("Carmen", Paris 1875), Charles Gounods ("Roméo et Juliette", Paris 1867) und Jules Massents ("Manon", Paris 1884; "Werther", Wien 1892). Vor allem "Carmen" wird in der neueren Forschung als Modell für die italienische Oper der 1890er Jahre angesehen, so für Pietro Mascagnis ("Cavalleria rusticana", Rom 1890) und auch für Giacomo Puccinis ("La Bohème", Turin 1896).


Die Ambivalenz, mit der sich die <veristisch< orientierten Komponisten zwischen Oper als Gattungsmodell einerseits und ästhetischer Intention andererseits bewegten, läßt sich überaus deutlich am Beispiel von Mascagnis "Cavalleria rusticana" erhellen. Den Komponisten ging es nicht um getreue Übertragung ästhetischer Programme auf das Musiktheater, sondern um eine Alternative zur kriselnden Oper der Zeit, letztlich um den Erfolg.

Als Folge des beispiellosen Erfolges der "Cavalleria rusticana" entstanden in Italien über Ruggiero Leoncavallos ("I Pagliaci", Mailand 1892) zahlreiche weitere Opern dieser Art (2), und bereits 1891 - mit der Hamburger Erstauführung der "Cavalleria rusticana" einsetzend - kam es zu einer geschickten Vermarktung und damit breiten Rezeption auch in Deutschland.

Mascagnis Einakter fungierte mithin als dramaturgische Schablone, mittels derer es kurzfristig gelang, die Orientierungslosigkeit, in der die Oper in Deutschland zu dieser Zeit steckte, zu überwinden: dies nicht als Folge eines gattungspoetologischen Diskurses, sondern durch weitgehende Kopie jener Wirkungsästhetik, die bereits in Italien die Massen finanziert hatte und möglicherweise auch in Deutschland das Publikum in die Opernhäuser zu locken vermochte.

Wann immer auch in den 1890er Jahren das Musiktheater mit den aus den 60er Jahren stammenden Gattungsmodellen "Drame lyrique" und "Musikdrama" unter dem Vorrang ästhetischer Neuerungen stand, wie unterschiedlich die Resultate waren, wie unterschiedlich der Erfolg: Zur dauerhaften Überwindung der Krise der Oper hat keine dieser Anstrengungen geführt.
So konnte es kaum verwundern, daß man im spätesten 19.Jahrhundert auf die Idee verfiel, diese Krise mit ihren eigenen Mitteln zu überwinden, mit der Rückkehr zur Oper und ihren Stoffen vor dem >Sündenfall<: zur italienischen Opera buffa des 18.Jahrhunderts.

 

Fazit: Die Oper des "Symbolismus", "Naturalismus" und zuletzt "Realismus" reagierte nicht auf die überkommenen Modelle der Oper. Sie gewann ihre jeweilige Aktualität und Geltung dadurch, daß sie es verstand, opernspezifische Elemente zu entfalten, die auf die neuen ästhetischen Forderungen Antwort zu geben vermochten.

(1) C.Dahlhaus, Musikalischer Realismus. Zur Musikgeschichte des 19.Jahrhunderts, München 1981
(2) St.Scardovi, L'opera dei bassifondi.Il melodramma >plebeo< nel verismo musicale italiano, Lucca 1994

 




Link zum Seitenanfang Zuletzt überarbeitet am: 31.10.2013 
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